Rekorde in Willingen

Ich werde versuchen in jeder Runde eine besondere Partie (oder auch ein Rekord ohne Partie) der Deutschen Meisterschaften vorzustellen, an der mindestens ein bayerischer Spieler bzw. eine bayerische Spielerin beteiligt war. Ich habe festgestellt, dass jede Runde etwas zu ambitioniert war, deshalb jetzt ohne entsprechende Rundenbezeichnungen:

1 – Das Damenproblem

Die bayerische Meisterin in der U12w, Julia Schwarzfischer, von den Schachfreunden Roding, hat in ihrer ersten Partie in 93 Zügen gewonnen. Insgesamt haben sie und ihre Gegnerin sechs (!) Bauern zu Damen umgewandelt! Eindeutig rekordverdächtig.

2 – Der Favoritenstürzer

Zum zweiten Mal hintereinander gelang es Clemens Lerchl, bayerischer Vizemeister U16, gegen einen nominell deutlich stärkeren Gegner zu gewinnen. Die folgende Partie ist außerdem sehr sehenswert, insbesondere das entstandene Endspiel. Mit 2/2 Punkten führt er nun mit die Tabelle an und darf in der dritten Runde an Brett 1 spielen.  Wir drücken die Daumen! Clemens spielt für den Schachclub Vaterstetten-Grasbrunn.

3 – Das verpasste Damenopfer

Unglaubliches ereignete sich in der dritten Runde von Constantin Paul Stichter. Der bayerische Meister U12 von der SG Traunstein/Traunreut spielt mit aktuell 2,5/3 Punkten ein gutes Turnier und ist bekannt für seine taktischen Fähigkeiten. In seiner dritten Partie verpasste er eine sensationelle Kombination, von der die meisten SchachspielerInnen nur träumen können. Man kann ihm kaum einen Vorwurf machen, den richtigen Zug nicht gezogen zu haben. So ein unglaubliches Damenopfer möchte ich aber auch niemandem vorenthalten. Dankeschön für den Hinweis auf diese Taktik an die Nationalspielerin und Großmeisterin Hanna Marie Klek.

4 – Der Doppelspieler

Tatsächlich gibt es einen bayerischen Spieler, der diese Woche in Willingen bei zwei verschiedenen Turnieren im Rahmen der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften mitspielt. Valentin Wagner vom TV Tegernsee hat in den letzten Tagen sehr erfolgreich am Kika (kurz für: Kinder können’s auch) Turnier teilgenommen. Mit 4,5/7 Punkten erreichte er den elften Platz. Leicht verspätet, weil Kika bis zum Montag dauerte, tritt er nun ab der vierten Runde bei der Offenen Deutschen Jugendmeisterschaft in der C-Gruppe an. Hier sein Sieg aus der vierten (für ihn ersten) Partie:

5 – Die Remisköniginnen

In der fünften Runde wurde in der U14w nur ein einziges Remis vereinbart bei insgesamt 15 gespielten Partien. Das scheint ein Turniertiefstwert zu sein. Folgend das Unentschieden zwischen den beiden bayerischen Spitzenspielerinnen Lin Englert (TV Großostheim) und Cora Hergenröder (SC Bamberg). Beide spielen kämpferisches Schach und es soll keineswegs ausgesagt werden, dass die zwei besonders oft Remis spielen. Für Lin war es sogar das erste Unentschieden im Turnierverlauf.

6 – Matt in 6

Siri Marleen Prinzen (SK Tarrasch München) schaffte es, eine ihrer Partien in nur sechs Zügen zu gewinnen. Mit Schwarz setzte sie im sechsten Zug Matt auf f2. Der Beitrag heißt “Rekorde in Willingen” und deshalb ist dieses Beispiel auch keineswegs gegen Siris Gegnerin gerichtet, die immerhin im letzten Jahr die Deutsche Meisterschaft U14w gewann und genau weiß, dass sie normalerweise besser spielt als in dieser Partie. Matt in 6 klingt aber eindeutig nach einem Meisterschaftsrekord.

7 – Größte Steigerung

2021 hat Veda Ramakrishnan (FC Bayern München) ihre erste Deutsche Meisterschaft gespielt. Sie erzielte 6 Punkte aus 11 Partien – ein sehr gutes Ergebnis. Seitdem scheint sie viel trainiert und sich stark verbessert zu haben. Ganze 3 Punkte mehr schaffte sie und landete 14 Plätze weiter oben in der Rangliste. Von letztem zu diesem Jahr bei der Deutschen Meisterschaft 3 Punkte mehr zu erzielen, das schaffte sonst niemand außer Veda.

8 – Keine rote Karte für die Bayern

Seit Jahrzehnten gibt es das immer wieder kritisierte Kartensystem der Deutschen Schachjugend. Gelbe und rote Karten werden – wie im Fußball – für unfaires und unsportliches Verhalten an Spielerinnen und Spieler vergeben. Auch Eltern oder TrainerInnen kann es treffen. Im Gegensatz zum Fußball werden die Karten aber nicht nur von Schiedsrichtern vergeben, sondern auch von anderen Personen des Organisationsteams. Auch anders als im Fußball: Es gibt grüne Karten für besonders faires Verhalten. Dieses Jahr erhielt beispielsweise Valentin Wagner (TV Tegernsee) eine grüne Karte, weil er beim Einstellen der Schachuhren ungefragt mithalf.

Nach Abschluss des Turniers wird ein Fair Play Preis an die fairste Landesschachjugend vergeben, der früher noch 200 Euro wert war: https://www.deutsche-schachjugend.de/news/2006/fairplay-auf-der-dem-2006-von-gruenen-gelben-und-roten-karten/

Eine schöne Idee, Fairness und sportliches Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Aber auch Gegenstimmen zum Kartensystem gibt es schon seit der Einführung. Ein großer Kritikpunkt dabei: Es ist nicht klar festgelegt, welches Verhalten durch eine gelbe oder rote Karte geahndet werden darf oder soll. Scheinbar willkürlich vergebene Karten beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit des Systems. In diesem Jahr gibt es keinerlei Informationen über das Kartensystem auf der Homepage der Deutschen Jugendmeisterschaften bzw. in der Ausschreibung (oder ich habe es nur nicht gefunden).

2021 hatte der Fairplay Preis einen Tiefpunkt in seiner Geschichte, als der fairste Landesverband Brandenburg nicht einmal bei der Siegerehrung erwähnt wurde. Ein Preisgeld gibt es schon lange nicht mehr. Auch die Erwähnung auf der Homepage gehört wohl der Vergangenheit an DEM 2006 Fairplay

Und ob das Vergessen des Masketragens beim Nachtisch holen wirklich eine grobe Unsportlichkeit ist und mit gelber Karte geahndet werden muss, kann wohl auch nur Schiedsrichter Nikola Franic beantworten.

Nach dieser Einführung und kurzen Diskussion zum Kartensystem können wir in diesem Jahr stolz verkünden, dass niemand aus der bayerischen Delegation eine rote Karte während der Meisterschaft erhalten hat. Weiter so!

 

 

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