Die Pulvermühle

Bis die „Stern“-Reporter auftauchten

Im Winter 1990/91 wird die „Pulvermühle“ in Waischenfeld endgültig zur Legende für die Schachszene: Drei Monate verbringt Ex-Weltmeister Bobby Fischer in dem Gasthof – bevor sein Aufenthalt abrupt endet. „Keine Presse, keine Fotos“, das seien die Bedingungen Fischers gewesen, berichtete Thomas Bezold jetzt bei einem Vortrag am Rande des U12-Länderkampfes in Bayreuth. Bezold erlebte vor gut 30 Jahren den Fischer-Besuch hautnah mit; sein Vater Kaspar war Gastgeber in der Pulvermühle.

Am Anfang stand demnach ein Mittagessen in der Pulvermühle: Der Bamberger Großmeister und WM-Schiedsrichter Lothar Schmid brachte eines Tages Bobby Fischer mit. Dann kam schnell die Frage auf, ob er „ein paar Tage“ bleiben könne. „Auf den paar Tagen sind drei Monate geworden“, sagt Bezold.

Drei Monate, in denen die Gastgeber den exzentrischen Fischer mit all seinen Macken kennenlernten. „Zu Weihnachten saß er bei uns im Wohnzimmer, trank Eierlikör.“ Bobby Fischer lebte nach der US-Zeit, kam erst um 14.30 Uhr zum Frühstück. „Er machte die Nacht zum Tag, den Tag zur Nacht – wir haben es so akzeptiert.“ Nur wenige Eingeweihte wussten von dem ungewöhnlichen Gast, und andere Gäste erkannten ihn offenbar nicht: Im Vergleich zu den 70ern war Fischer deutlich gealtert. Auch der Fernschach-Weltpokalsieger aus Russland, der in der Pulvermühle übernachtete, realisierte nicht, wer ihm da begegnete. Es kam jedoch nur zu einer kurzen zufälligen Begegnung: „Fischer hatte eine Russland-Phobie.“

Eine weitere Phobie war seine Abneigung gegen Journalisten. Und so witterte er regelrecht die zwei Reporter des „stern“, die ein Zimmer in der Pulvermühle buchten. Bobby Fischer startete einen letzten Versuch, das Auffliegen seines Aufenthalts zu verhindern und forderte, die Reporter sollten abreisen. Was aber Hausherr Kaspar Bezold nicht wollte: „Sie bleiben als Gäste im Haus“, entschied der geradlinige Mann. Die Folge: Fischer reiste ab. Und im „stern“ erschien die Exklusiv-Geschichte „Das Versteck des Phantoms“.

Das war letztlich nur ein kultiges Highlight in der langen Geschichte der Pulvermühle, die bis 1875 zurückreicht. Dank der freundschaftlichen Verbindung zwischen Kaspar Bezold und Lothar Schmid machten immer wieder Denksport-Größen Station in der Fränkische Schweiz. Angefangen 1968 beim damals amtierenden Weltmeister Tigran Petrosjan. 1993 hielt Michail Botwinnik Hof in der Pulvermühle und gab dem jungen Michael Bezold wertvolle Tipps auf seinem Weg zum Großmeister. Und Vize-Weltmeister Viktor Kortschnoi feierte 2006 sein außergewöhnliches Jubiläum „50 Jahre Großmeister“ in der Pulvermühle.

Auch drei spätere Weltmeisterinnen waren hier zu Gast, drei internationale fränkische Großmeister-Tage fanden hier statt. Die Pulvermühle war Schauplatz der Jugend-Schachtage mit späteren Großmeistern. 2012 wurde die Pulvermühle verkauft – nach mehr als 100 Jahren in Familienhand. Doch die Legende lebt weiter.

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