Jana Schneider wird im Team mit Annmarie Mütsch Vizeeuropameisterin der U18w und berichtet hier von ihrem tollen Erfolg mit Partieanalyse!
Alle Jahre wieder findet das große Open in Pardubice, Tschechien, statt. In diesem Bericht soll es aber nicht um das gerade laufende Open gehen, sondern um eines der zahlreichen anderen Turniere im Rahmen des Festivals. Um die Mannschaftseuropameisterschaft U18w, die dieses Jahr vom 11.-18. Juli in besagtem Pardubice stattfand.
Dieses Turnier ist jedes Jahr in einem anderen europäischen Land, letztes Jahr in Deutschland, Bad Blankenburg. Neben den Kategorien U18 und U18w wird auch die U12 und U12w ausgetragen. Dabei wird in der “open section”in Vierermannschaften gespielt, bei den “girls” in Zweierteams mit bis zu einem Ersatzspieler. 7 Runden, jeweils um 15 Uhr (außer die letzte um 9 Uhr früh) wurden an relativ entspannten 7 Tagen in der großen Eishockeyhalle gespielt. Neben dieser Europameisterschaft fanden zeitgleich unter anderen auch ein Teamschachevent, ein Blitzmarathon über 24 Stunden und diverse andere Brettspielturniere, von denen ich leider von einigen nicht einmal die groben Regeln kann, wie Go, Shogi, Backgammon, Dame oder Bridge statt. Nach meinen Schachpartien habe ich ab und zu bei anderen Brettspielen zugeschaut, wobei mich da eher Dame und Backgammon interessiert haben, da kenne ich wenigstens die Grundlagen.
Meine eigenen Partien habe ich in der U18w am zweiten Brett für Deutschland gespielt. Zu meinem, an 3 gesetzten, Team gehörte noch Annmarie Mütsch, mit der ich mir auch ein Hotelzimmer geteilt habe. Hotel Labe, in dem wir untergebracht waren, kann ich eher nicht weiterempfehlen, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich an die altmodisch eingerichteten Zimmer. Die Aufzüge, bei denen jede Fahrt zu einem holpernden Erlebnis wurde. (Ich habe mit Annmarie ausgemacht, wenn ich verliere, laufe ich die Treppen bis zum achten Stock hoch. Musste ich dann zum Glück nie machen!). Das Wlan, welches ausschließlich in der Lobby einigermaßen funktionierte.
Nach drei Tagen Vorbereitungslehrgang in Bad Blankenburg mit IM Davit Lobzhanidze waren wir bereit für die Mannschaftseuropameisterschaft. Nach sieben Stunden Busfahrt kamen wir am 11. Juli in Pardubice im Hotel Labe an, zur Eishockeyhalle immerhin nur ca.10 Minuten Fußweg und von meinem Zimmer aus konnte man sie durch das Fenster sehen. Direkt nebenan auch ein Einkaufszentrum. Am 12. Juli begann das Turnier für mich mit der ersten Runde gegen Tschechiens erste Mannschaft. Als Gastgeber hatten sie in der U18w insgesamt drei Teams am Start. Annmarie und ich erreichten, abgesehen von Runde 3, immer dasselbe Endergebnis, Achtung Spoiler, wir gewannen jedes Mal 1,5-0,5. Wer dabei den ganzen und wer den halben Punkt machte, da wechselten wir uns ab. Hauptsache nicht beide Remis. Funktionierte gut in den ersten beiden Runden gegen Tschechien 1 und Weißrussland. Kleiner Schock für mich in der zweiten Runde: Ich hatte eine andere Gegnerin, als gegen die ich mich vorbereitet hatte. Wie sich später herausstellte, werden auf chess results bei “Team Composition with round-results” nur die Spielerinnen angezeigt, die schon gespielt haben, also keine Ersatzspielerin. Deswegen waren wir uns sicher, dass Weißrussland ohne Ersatzspielerin antrat, hatten sie aber doch. Also machte ich mit unserer Trainerin und Betreuerin WGM Tatjana Melamed, welche ich gut kenne (Sie spielt unter anderem mit mir in Bad Königshofen in der Frauenbundesliga…), Spezialvorbereitung. Damit gewann ich nach einem Erstrundenremis meine erste Partie in diesem Turnier. Auf dem Weg zur dritten Runde gegen die topgesetzte Mannschaft ECU-Pleven alias Bulgarien 1 wurden wir von einem Regenschauer überrascht und kamen trotz kurzem Weg ziemlich durchnässt beim Spielsaal an. Immerhin waren wir relativ bald wieder getrocknet und ich stand gegen Gabriela Antova, mit der ich von der Europameisterschaft 2017 noch eine Rechnung offen hatte (damals konnte ich eine gewonnene Stellung nicht gewinnen), schnell auf Gewinn. Nachdem ich sie mit der Eröffnung überrascht hatte, überraschte sie mich mit einem einfachen Überseher, der sie eine Figur und die Partie kostete. Annmarie revanchierte sich leider, indem sie gegen die Nummer 1 der U16 Weltrangliste Nurgyul Salimova in leicht besserer Stellung einen Bauern verlor. 1-1 kein schlechtes Ergebnis, aber da war mehr drin. Trotzdem konnte sich geteilter erster Platz sehen lassen, den wir bis zum Schluss halten konnten. Nächste Runde gegen das zweite Team von Bulgarien, ECU Sofia, an 2 auch vor uns gesetzt, das wir mit dem bekannten Ergebnis besiegen konnten. Hier meine Partie gegen Beloslava Krasteva (2327 ELO).
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 0-0 5.Ld3 d5 6.cxd5 [ 6.Sf3 ist der Hauptzug ] [ 6.Sge2 dxc4 Diese Variante will sie umgehen, indem sie vor Sge2 auf d5 nimmt 7.Lxc4 c5 ] 6…exd5 7.Sge2 Schwarz versucht hier mit allen Mitteln den weißen Plan f3 und e4 durchzudrücken, zu verhindern. 7…Te8 8.Ld2 c5 9.a3 Lxc3 10.Lxc3 c4 11.Lc2 Lg4 12.0-0 Sc6 13.b3 Sa5N Bis hierhin hatte ich alle meine Züge mit Tatjana vorbereitet. Und auch die Neuerung Sa5 habe ich nicht erst am Brett gefunden. 14.Lxa5?! [ 14.b4 hatte ich erwartet und vor der Partie analysiert. Teilweise entstehen hier sehr scharfe Stellungen ] 14…Dxa5 15.bxc4 dxc4 16.f3 Hier habe ich zum ersten Mal in dieser Partie lange nachgedacht. Weil ich mit Tatjana 14.Lxa5 nicht analysiert hatte, ging ich davon aus, dass ich hier besser stehen sollte. Allerdings wollte ich e4 von Weiß nicht zulassen. Schließlich entschied ich mich für 16…Sd5!? aus praktischer Sicht (im Nachhinein) die beste Entscheidung [ 16…Ld7! 17.e4 b5=+ ist wohl objektiv leicht besser für Schwarz, war mir aber am Brett nicht klar ] [ 16…Dg5 17.e4 unklar ] 17.fxg4 der menschlichste Zug [ 17.De1! wäre die beste Fortsetzung gewesen Dxe1 18.Tfxe1 Sxe3 ( 18…Ld7 19.e4+= ) 19.La4! deutlicher Vorteil ] 17…Sxe3 18.Dc1 [ besser ist 18.Db1 Sxf1 19.Lxh7+ Kh8 20.Kxf1 g6 unklar] 18…Dd5!
[ 18…Sxf1 Diese Stellung hatte ich bei 16…Sd5 angestrebt und sie als besser für mich eingeschätzt. Aber als die Stellung auf dem Brett war, erschien mir Dd5 noch stärker 19.Kxf1 Tad8 deutlich besser für Schwarz ] 19.Tf2 [ 19.Tf3? Sxc2 20.Dxc2 Txe2 21.Dxe2 Dxd4+-+ ] 19…Sxg4 20.Tf4 [ 20.Tf5 Dd6 21.Df4 Dxf4 22.Sxf4 Se3 23.Tc1 Sxf5 24.Lxf5 deutlicher Vorteil, nicht einfach zu finden und immer noch klar besser für Schwarz ] 20…Txe2 21.Txg4 h5! stellt Weiß vor unlösbare Probleme. der weiße Turm g4 ist überlastet 22.Tg3 [ 22.Dd1 hxg4 23.Dxe2 Dxd4+ ] 22…Dxd4+ 23.Kh1 Txc2 Nach eineinhalb Stunden führten wir so gegen ECU Sofia/Bulgarien 2 und konnten dieses Schlüsselmatch mit 1, 5-0,5 für uns entscheiden
0-1
In den letzten drei Runden gewannen wir gegen MS Region, das tschechische Team der Region, Polen 1 und Rumänien. Mit 13-1 Mannschaftspunkten mussten wir uns trotz alledem mit Platz 2 begnügen, da ECU Pleven ebenso alle Mannschaftskämpfe nach uns gewinnen konnte und eine bessere Olympia-Sonneborn-Berger-Wertung vorzuweisen hatte. Auf dem 3. Platz landete mit 9-5 Mannschaftspunkten die Slowakei.
Annmarie und ich haben beide ein super Turnier gespielt. Ich erzielte 5,5/7 und war damit das beste Brett 2 des Turniers, allerdings wurden in diesem Jahr leider keine Brettpreise vergeben. Annmarie machte 4,5/7 und hatte damit auch ein ELO plus zu verbuchen.
Noch ein paar Worte zu den anderen deutschen Mannschaften: Die U12 Mädchen erreichten Platz 5, die U12 Jungen mit u.a. dem bayrischen Leonardo Costa (SK München Südost) wurden 7. Die U18 Jungen gewannen mit 12-2 Mannschaftspunkten und nur einer Niederlage gegen Österreich den ersten Platz und holten für Deutschland die Goldmedaille. Damit haben sie uns Mädchen etwas die Show geklaut, aber diesen 1. Platz auch mehr als verdient mit Siegen gegen Weißrussland, Niederlande, England, Israel, Slowakei und Serbien.
Außerhalb vom Schachbrett haben wir an der vom Veranstalter organisierten Stadtführung teilgenommen, bei der wir doch auch einige interessante Fakten über Pardubice erfahren haben. Oft sind wir zum Marktplatz spazieren gegangen, haben Kartenspiele gespielt und am letzten Tag noch Fußball. Der Spielplatz neben dem Hotel war bei der U12 sehr beliebt, ob sie mehr Zeit dort oder am Schachbrett verbracht haben, soll hier nicht beantwortet werden. Am letzten Abend sind wir mit der gesamten deutschen Delegation Pizza essen gegangen und haben auf uns angestoßen und auf ein erfolgreiches Turnier.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass das ganze Turnier wirklich gut organisiert war, es ist teilweise zwar lauter als bei reinen Schachturnieren, man hört teilweise die Backgammon und Dame Steine klappern und die Blitzmarathon – Läufer auf die Uhren hauen, aber wenn man in Gedanken auf seine Partie konzentriert ist, stört das nicht wirklich. Vielleicht spiele ich in den nächsten Jahren auch mal das Pardubice Open mit, denn es ist echt schön dort mit vielleicht keiner atemberaubenden Altstadt, aber einer entspannten Atmosphäre, leckerer Pizza und einer großen Schachveranstaltung, die sogar im Tourist Guide angepriesen wird. Außerdem kann ich noch die Lebkuchen empfehlen, für die Pardubice bekannt ist, sind lecker und auch tolle Souvenirs.
von Jana Schneider, leicht redaktionell bearbeitet, Bilder von Bernd Vökler (Bundesnachwuchstrainer)
Leonardo Costa spielte am 2. Brett für Deutschland in einer Vierermannschaft in der U12. Bei den Jungen traf die Elo-Vorhersage fast genau ein, denn die drei Favoriten Polen, Frankreich und Ungarn machten souverän die Medaillen unter sich aus. Deutschland spielte im Rahmen der Erwartungen.
Weitere Turnierinformationen und Bilder findet ihr unter folgenden Links auf der Homepage des DSB und bei Chess-results:
https://www.schachbund.de/news/ueberragende-u18-mannschaften-in-pardubice.html
http://chess-results.com/tnr450723.aspx?lan=0 (U18 Mädels)
http://chess-results.com/tnr450724.aspx?lan=0&art=20&turdet=YES&flag=30&snr=4 (U12 Jungs)